Die innerstädtische Kaiserfeldgasse wird in eine weitgehend autobefreite Begegnungszone umgewandelt.

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Das Skaten auf dem Kaiser-Josef-Platz ist nach wie vor rechtlich umstritten.

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Graz – Es ist in den vergangenen Monaten einiges in Bewegung geraten in der Grazer Verkehrspolitik. Seit die rot-grün-rote Koalition das Zepter in der Stadt übernommen hat, wird sukzessive die Prioritätenliste umgedreht: zuerst die Fußgänger, Radfahrer und Öffis und zum Schluss der private Pkw-Verkehr. Noch ist der Paradigmenwechsel im Stadtbild nur in Ansätzen erkennbar, "wir arbeiten aber intensiv an der Neuorientierung", sagt die für den Verkehr zuständige Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne).

Mit der Einführung neuer Straßenbahnzüge, die auf Strecken um die City geführt werden, soll in den nächsten Jahren die Grazer Innenstadt entlastet und auch der Autoverkehr deutlich reduziert werden. Detaillierte Pläne und Beschlüsse liegen bereits vor. "Die Veränderungen sollen aber nicht zulasten der Anrainer und Anrainerinnen gehen", beeilt sich Schwentner zu betonen.

In der City wird bereits konkret an einer Entlastung gearbeitet. In diesen Tagen wird der Bischofsplatz "temporär möbliert", sagt Schwentner, ehe er fix – ohne Autos – neu gestaltet wird. Fixiert sind auch die Pläne für Begegnungszonen in der oberen Schönaugasse, vom Jakominiplatz weg, in der studentischen Zinzendorfgasse bei der Uni und vor allem in der innerstädtischen Kaiserfeldgasse.

Die Ankündigung, dass die Innenstadt vom Autoverkehr großzügig befreit werden soll, hat natürlich die Debatte um die Parkplätze neu entfacht. Es werde daher geprüft, sagt Schwentner – wie in Teilen Wiens –, eigene Anrainerparkplätze einzuführen. Zumindest für einen Teil der Innenstadt. "Es geht darum, die Lebens- und Aufenthaltsqualität in der Stadt zu heben. Es führt einfach kein Weg daran vorbei. Wir müssen angesichts der Klimakrise die Städte rasch und grundlegend anders organisieren. Und den vorhandenen Raum neu verhandeln", sagt Schwentner.

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DER STANDARD

ÖVP-Kehrtwende

Das bedeutet natürlich eben auch, den Autoverkehr zu reduzieren. Und da beginnt es sich politisch wieder zu spießen. Die ehemalige Bürgermeisterpartei ÖVP, die nun als Opposition im Stadtparlament sitzt, glaubt, bei diesem Thema einen Hebel gefunden zu haben, um wieder in die Stadtpolitik einzusteigen. Die Kleine Zeitung titelte dieser Tage gar: Die ÖVP vollziehe eine "Kehrtwende" in der Verkehrspolitik. Sie wolle sich also wieder, wie auch die FPÖ, als Autofahrerpartei präsentieren, um Profil zu gewinnen.

Zu den noch von Ex-Bürgermeister Siegfried Nagl forcierten "Radhighways" etwa kamen jetzt aus der ÖVP sehr kritische Töne. "Sicher, ich versteh schon, die ÖVP ist auf Positionierungssuche und sucht nach einer neuen Rolle in der Stadtpolitik", sagt Schwentner im Gespräch mit dem STANDARD.

Einzelne ÖVP-Politiker hatten zuletzt schon vor "wirtschaftsfeindlichen Maßnahmen" und massiven negativen Auswirkungen auf die Innenstadtbetriebe durch die neue Verkehrspolitik gewarnt – vor allem, wenn nun Parkplätze wegfallen. ÖVP-Klubchefin Daniela Gmeinbauer unterstreicht im Gespräch mit dem STANDARD, dass die Verkehrspolitik "natürlich nicht zum Nachteil der Wirtschaftsleute" sein dürfe. Man kann die Autos aus der Stadt ja nicht einfach "wegzaubern". Natürlich wolle jeder Wirtschaftstreibende vor seinem Geschäft einen Parkplatz haben und dass die Kunden quasi bis ins Geschäft fahren können. "Aber wenn man das nicht will, muss man Alternativen schaffen in Form von anderen Parkmöglichkeiten, sagt Gmeinbauer. Schwentner hält hier entgegen, dass zum einen für Gäste nach wie vor zum Teil unausgelastete Tiefgaragen zur Verfügung stünden, zum anderen ohnehin neue Anrainer-Autostellflächen geprüft werden.

Völlig ungelöst, und da ist die neue Stadtregierung keinen Millimeter weitergekommen, bleibt bis auf weiteres ein anderes – kleines – Verkehrsproblem: das Skaten.

Keine Lösung für Skater

Ein Daueraufreger, speziell bei dem beliebten Szenetreffpunkt Kaiser-Josef-Platz. Noch in der alten ÖVP-Regierung wurde das Skaten nach Beschwerden eines Anrainers und der FPÖ ja verboten – zwar nicht das Fahren auf dem Brett, aber Tricks, also sobald die Räder vom Boden abheben. Weil die verschiedenen Kunststücke Geräusche beim Aufprallen der Bretter verursachen, hat speziell ein juridisch gebildeter Anrainer ständig Beschwerde eingelegt. "Der Community geht es nicht um den Sport, sondern primär darum, Plätze zu erobern", sagte der anonym bleibende Jurist dem Grazer Gratismedium Woche. Die Stadt agiere zu lasch, das könne sogar den "Tatbestand des Amtsmissbrauchs" durch die Stadtregierung begründen.

Die Polizei kommt seit Monaten regelmäßig vorbei, um hin und wieder Skater und Skaterinnen abzustrafen, aber meist zu ermahnen. "Wir haben lange Lösungen überlegt, es ist juristisch nicht einfach, zuletzt haben wir die Möglichkeit, den Platz in eine Spielstraße umzuwidmen, überprüft", sagt Schwentner. Darum müsste die Skaterszene ansuchen, aber unter anderem auch eine Aufsichtsperson anstellen. Dazu sieht sich der kleine Skaterverein jedoch nicht in der Lage.

Jetzt liegen die Hoffnungen auf dem Einspruch eines Skaters, der abgestraft worden ist. (Walter Müller, 10.8.2022)